Quelle: Barmstedter Zeitung vom 02.08.2024
Es ist das wohl letzte Amtsgebäude, das unter der langen dänischen Herrschaft über Schleswig-Holstein im Jahr 1863 errichtet wurde. Heute beherbergt der Backsteinbau auf der Barmstedter Schlossinsel das Museum der Grafschaft Rantzau.
Die Künstlerin Imke Stotz hat sich vom Charme der alten Bauten Barmstedts einfangen lassen. Herausgekommen ist eine Serie von liebenswerten Portraits der Häuser, die das Stadtbild prägen. Unsere Redaktion stellt sie vor. Heute: das ehemalige Amtsgericht auf der Schlossinsel, das heute das
Museum der Grafschaft Rantzau beherbergt.
Das alte Preußische Amtsgericht auf der Schlossinsel mag das historische Herz Barmstedts sein. Nicht so sehr, weil es das Herrenhaus nebenan überstrahlen würde, und der älteste Bau der Stadt ist immer noch der mittelalterliche Kirchturm. Sondern weil hier seit fast 50 Jahren das Museum die Geschichte der Grafschaft Rantzau erzählt.
„Es ist schon etwas Besonderes, Barmstedts Geschichte in einem Haus zu erzählen, das selbst so viele Geschichten zu erzählen hat“, sagt Museumsvorstand Jan Teegen und verweist als Beispiel auf eines der vielen Details, die der füchtige Blick übersehen mag: In der Kartusche, die über dem Eingangsportal die Worte „Preuß. Amtsgericht“ trägt, kann man darunter noch das übermalte „Königl.“ erkennen.
Damit ist Barmstedt plötzlich mittendrin in der Weltgeschichte. Denn dieses Detail spricht vom Bemühen des dänischen Königshauses, sein reichsdeutsches Lehen Schleswig-Holstein enger an sich zu binden – und damit vom Auftakt der deutschen Reichseinigung, acht Jahre und drei Kriege später.
1863 wurde das Amtsgericht fertiggestellt und sollte so das wohl letzte Amtsgebäude der jahrhundertelangen dänischen Geschichte Schleswig-Holsteins werden. Denn noch im Dezember des gleichen Jahres besetzten deutsche Bundestruppen Barmstedt, der erste deutsche Einigungskrieg begann, ein halbes Jahr später war Dänemark geschlagen.
Weltgeschichte auf nicht mal einem Quadratmeter
Fortan sollte Österreich auf der Schlossinsel wie in ganz Holstein das Sagen haben – bis zwei Jahre darauf Preußen übernahm. Das war der zweite deutsche Einigungskrieg. Kurz darauf muss das dänische „Königl.“ durch das „Preuß.“ ersetzt worden sein: Weltgeschichte auf einem Drittelquadratmeter nachlässig übermalter Kartusche, an einem alten Barmstedter Amtsgebäude der alten
Reichsgrafschaft.
Vierter Standort des Museums im Laufe der Zeit
Und nur eines der vielen Dinge, die es zu erzählen hat. „Das Gebäude ist keine neutrale Hülle, sondern Teil der Ausstellung“, meint Vorstandsbeirat Michael Theilig vom Arbeiten in einem Haus, das Geschichte atmet. 1975 zog das Rantzauer Museum mit seiner reichen, vom Ehepaar Proll liebevoll gepflegten Sammlung vom Biebersteinhaus am Markt hierher in seinen nun vierten Standort seit der Gründung 1908.
2018 übernahm es die Barmstedter Geschichtswerkstatt mit dem neu gegründeten Museumsverein und seinen inzwischen mehr als 40 Mitgliedern, deren Vielfalt an Themen und Interessen das Museum so lebendig macht. Sie haben seitdem viel erreicht: die geschichtswissenschaftliche und technische Professionalisierung, die Zertifizierung hinein in die erste Riege der Museen, den Einstieg in die digitale Moderne oder die Integration der reichen Schätze ihr anvertrauter Privatarchive.
Sonderschauen mit ausgezeichnetem Ruf
Seine Sonderausstellungen haben einen ausgezeichneten Ruf in der Museumslandschaft. Rantzauer Heimatgeschichte ganz unmittelbar für alle lassen Veranstaltungen wie die Barocktage auf der Schlossinsel oder die Führungen zum Grafenmord in den Wäldern davor wieder aufleben. Nach
und nach wird derzeit auch die ständige Ausstellung modernisiert:
„Wir haben ein sehr schönes Heimatmuseum aufgebaut, und das in den Standards unserer Zeit.“
Michael Theilig Museumsgruppe Barmstedt
So erfolgreich das Rantzauer Museum ist, so sehr allerdings macht sich Theilig Sorgen um das Amtsgerichtgebäude selbst. Denn es hat gravierende bauliche Probleme, von deutlichen Setzungsschäden bis zur baufälligen Fassade mit ihrem losen Mauerwerk und den hinfälligen Fenstern: erst kürzlich ist eine Glasscheibe einfach herausgefallen.
Nach dem Sanierungs- und Entwicklungskonzept der Schlossinsel aus dem Jahr 2022 soll das Amtsgerichtsgebäude in den kommenden Jahren grundsaniert werden und das Museum interimsweise das Herrenhaus beziehen. Hört man sich in der Stadt um, scheinen sich viele Barmstedter allerdings zu wünschen, dass es dann einfach im Herrenhaus bleibe, für das es die eigentlich angemessene Nutzung sei – und dass für das Amtsgericht mit den für das Herrenhaus vorgesehenen multifunktionalen Nutzungen eine neue Geschichte beginnt.