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Sonderausstellung zur Auswanderung nach Amerika

Quelle: Barmstedter Zeitung vom 26.04.2024

Ein besonderes Kapitel schlägt das Museum der Grafschaft Rantzau mit einer neuen Sonderausstellung auf: Von Fernweh und Freiheitssehnsucht der Amerika-Auswanderer erzählt sie in souveräner Gesamtdarstellung wie in liebevoll recherchierten Einzelschicksalen. Sie ist ein Spiegel der Träume aus der Vergangenheit und in der Gegenwart.

So viele Barmstedter haben ihre Stadt Richtung Amerika verlassen, dass wohl jeder Verwandte dort finden wird. Allein über 500 Barmstedter sind ausgewandert, was ziemlich viel für eine Stadt ist, die zum Höhepunkt der Auswanderungswelle in den 1860er Jahren nur wenige tausend Einwohner zählte. Aus der Grafschaft Rantzau sind sogar fast 3000 Menschen aufgebrochen. Wer sind sie, welche Geschichten erzählen sie?

Das Rantzauer Museum hat so umfassend wie einfühlsam die Lebenswege und Reisegeschichten recherchiert und widmet unseren fernen Verwandten seine kommende große Sonderausstellung „Alle Menschen sind dort gleich“, die am Samstag, 27. April, um 14 Uhr auf der Schlossinsel eröffnet wird.

Vom Habenichts zum Großbauern

Aber vor allem: Was hat sie in die Ferne gezogen, warum und weshalb dorthin, ins unbekannte Amerika? Die Auswanderungsgründe waren so vielfältig wie das Leben selbst. Vielfach waren es nachgeborene Geschwister, die hier nur eine Zukunft als Magd oder Knecht hatten. Da war Amerika viel verlockender: Die Auswanderer bekamen in den neuen Siedlungsgebieten vor allem des Mittleren Westens ein Stück Land zugewiesen und es wurde ihr Eigentum, wenn sie es fünf Jahre lang bearbeitet hatten. 60 bis 70 acres, 25 Hektar also und mehr, damit wären sie in ihrer alten Heimat Großbauern gewesen.

Frauen brechen aus Gesellschaftskonventionen aus

Aber es war noch mehr als das. „Uns ist aufgefallen, dass es viele Frauen und Mädchen waren“, erzählt Silke Menze, die Ausstellungsinitiatorin, deren eigene Vorfahren 1882 aus Bevern ausgewandert sind. Und gerade die Frauen erzählen wohl vom tiefsten Grund: der Sehnsucht nach Freiheit, nach dem Ausbruch aus einer streng abgesteckten Welt mit durch die Herkunft vorgezeichnetem Leben, in der es wenig Platz gab für die eigene Entfaltung, für die eigenen Träume. Sie wurde im Gegenteil von strikten Gesellschafts- und Moralkonventionen geprägt und sanktionierte Ausbruchsbegehren mit sozialer Stigmatisierung.

Amerika aber versprach etwas ganz anderes, nämlich: „Hier sind alle gleich!“ Der gewählte Titel der Ausstellung geht zurück auf dieses Zitat aus der reichen Literatur von Briefen, Büchern oder Presseberichten dieser Zeit, die das Leben in der neuen Welt den Zurückgebliebenen in der alten Welt beschreiben und die Auswanderungslust so nachhaltig genährt haben: „Alle Menschen sind dort gleich“.

Alte Strukturen mit in die neue Heimat genommen

Hans-Albrecht Hewicker, dessen Vorfahren nach Iowa ausgewandert ist, kann davon erzählen, wie dieses Leben in der neuen Welt war. Es sei die Neigung gerade der Norddeutschen gewesen, zusammenzubleiben. „Die gluckten alle zusammen, da wurde Plattdeutsch gesprochen“, lacht er: Die neuen Gemeinschaften organisierten sich mit Sänger-, Turn- und Schützengemeinschaften wie in der alten Heimat, führten Kindergärten ein – und die Freiwillige Feuerwehr. Noch heute bilden die Deutschstämmigen die größte ethnische Gruppe in weiten Teilen der USA.

Wahre Krimis dagegen erzählen andere Geschichten. Das sind junge Männer, die sich drohender Strafverfolgung oder der Schande unehelicher Kinder entziehen wollten. Oder Dramen, denn auch vor der preußischen Wehrpflicht flohen viele. Tragisch sind die Geschichten derer, die dann stattdessen im amerikanischen Bürgerkrieg gefallen sind – oder in den Weltkriegen gegen ihre alte deutsche Heimat an die Front mussten.

Besuch aus Amerika hat sich angekündigt

Es sind gerade die Einzelschicksale, die diese Ausstellung so berührend machen. „Für uns steht der Mensch im Mittelpunkt der Ausstellung. Was hat die Auswanderer bewegt, was haben sie erreicht?“ sagt Menze. Dafür wird zur Vernissage übrigens auch Besuch aus Amerika erwartet: die Nachfahren der Söhne des Heeder Uhrmachers Strüver, die 1902 nach Kalifornien gegangen sind und dort ein Großunternehmen aufgebaut haben, das bis heute besteht.

„Die Faszination Amerika ist immer noch da“, weiß Hewicker und spielt damit auf den amerikanischen Traum an. Es ist also eine Ausstellung, die zwar von Amerika erzählt, aber noch viel mehr von Holsteinern und deren Rantzauer Heimat, von den Sehnsüchten, die damals wie heute beseelen. „Wenn man es dann von Menschen hört, die selbst Auswanderer in ihren Familien haben, das ist faszinierend“, meint die Barmstedter Kulturausschussvorsitzende Andrea Siedenhans.