Frank Wünsche
Damit man Gottes Werck und Wort ymer fur Augen hette
Biblische Motive auf niederländischen Fliesen des 17. bis 19. Jahrhunderts

174 Seiten, gebunden
ISBN 978-3-9825953-9-9
1. Auflage Januar 2024
Preis: 55,00 € zzgl. Versand

Das Museum der Grafschaft Rantzau will mit seiner im Februar 2023 eröffneten Sonderausstellung „Von Spinnen und Ochsenköpfen. Wie niederländische Fliesen Bauernstuben eroberten“ an die Fliesenkultur auch in unserer Heimat erinnern und dazu beitragen, diese nicht in Vergessenheit geraten zu lassen. Der vorliegende Band versteht sich als Katalog zu dieser Ausstellung und dokumentiert alle 133 ausgestellten niederländischen Fliesen mit Bibelmotiven in farbiger Reproduktion in Originalgröße, 58 zum Alten Testament, 75 zum Neuen Testament.

Rezension

Erschienen in “Zeitschrift des Vereins für Hamburgische Geschichte” Band 110, 2024

Frank Wünsche (Hg.), Damit man Gottes Werck und Wort ymer fur Augen hette. Biblische Motive auf niederländischen Fliesen des 17. bis 19. Jahrhunderts. Mit Texten von Michael Hein und Michaela Theilig. Barmstedt (Museum der Grafschaft Rantzau) 2023. 174 S., zahlr. Abb., Kt. (= Schriften des Museums der Grafschaft Rantzau, Bd. 1), 55 EUR.

Auf der Schlossinsel in Barmstedt wurde von Februar 2023 bis März 2024 im Museum der Grafschaft Rantzau die Sonderausstellung „Von Spinnen und Ochsenköpfen – Holländische Fliesenkultur in und um Barmstedt“ gezeigt. Einen wichtigen Teil dieser Ausstellung bildeten Fliesen mit biblischen Motiven. In der Begleitpublikation, die der Ausstellungskurator Frank Wünsche zusammengestellt hat, sind diese speziellen Fliesenbilder vollständig dokumentiert. Jede der insgesamt 133 Fliesen ist in farbiger Abbildung in Originalgröße wiedergegeben und mit einer kurzen Erläuterung der dargestellten Szene und der jeweils zugehörigen Bibelstellen verbunden. 58 Bilder zeigen Geschichten aus dem Alten, 75 solche des Neuen Testaments.

In seinem Vorwort geht Wünsche auf den Weg ein, den die Fliesen von den Niederlanden nach Schleswig-Holstein und speziell in den Kreis Pinneberg nahmen. Anfangs brachten norddeutsche Seeleute, die von Holland aus auf Walfangschiffen fuhren, die bemalten und glasierten Tonscherben mit nach Hause. Später setzte dann auch der Handel mit den Fliesen ein, und im 19. Jahrhundert kamen sie per Eisenbahn in den Norden. In den Bauernhäusern sorgten sie dafür, dass die oft feuchten Wände innen trocken blieben. Zugleich brachten sie eine gewisse Helligkeit in die dunklen Räume.

Bei den wiedergegebenen Fliesen mit alttestamentarischen Szenen überwiegt die Dramatik. Das Geschehen spitzt sich zu, wenn zum Beispiel die Vertreibung aus dem Paradies oder der Untergang von Menschen mit all ihrem Hab und Gut in der Sintflut in wenigen Strichen auf das kleine Fliesenquadrat gemalt sind. Beliebt waren auch – man möchte fast sagen: wie heute – „Horrorgeschichten“, so der Brudermord von Kain an Abel oder die gerade noch verhinderte Opferung von Isaaks Sohn durch Vater Abraham. Vom Neuen Testament verbildlichen die Fliesen nur Szenen von Jesu Christi Leben. Dazu gehören Episoden etwa von der Versuchung in der Wüste sowie Gleichnisse wie jenes vom verlorenen Sohn oder vom Splitter im Auge des Anderen und dem Balken im eigenen. Auch diese prägnanten Szenen sind durch wenige Striche charakterisiert. Oft sind sogar nur zwei Figuren mit einzelnen Attributen dargestellt, die zu erkennen geben, welche biblische Geschichte gemeint ist. Christus selbst ist dabei stets an den Strahlen erkennbar, die sein Haupt umgeben.

Auf die Bildseiten folgen zwei Beiträge: Michael Hein geht unter dem Titel „Die Bibel im Bild“ auf die Vorbilder der Fliesenbilder ein, während Michael Theilig, ein profunder Kenner der Barmstedter Geschichte, die verschiedenen religiösen Zeitströmungen mit den Fliesenbildern verbindet. Hein weist dabei auf die Vorbildlichkeit der Bibelillustrationen des Grafikers Matthäus Merian d. Ä. hin, die 1625 zum ersten Mal im Druck erschienen. Zugleich erinnert er an die allererste gedruckte deutsche Lutherbibel mit Illustrationen von Lucas Cranach d. Ä., die hundert Jahre zuvor erschienen war, sowie an die Holzschnitte, die Hans Holbein d. J. 1538 zum Alten Testament herausbrachte. Die breiteste Wirkung in den Niederlanden aber hatten Merians Bilder, die ab der Mitte des 17. Jahrhunderts von „frommen Kupferstechern“ nachgeschnitten wurden. In ihrer Folge wurden Fliesen und Geschirr mit Bibelmotiven „zum frommen Bildschmuck in der Alltagswelt“, wie Hein schreibt. – Michael

Theiligs Beitrag geht von dem in den Niederlanden wirkenden Reformator Johannes Calvin aus, der sich trotz seiner strikten Ablehnung des bildlichen Kirchenschmucks nicht grundsätzlich gegen erzählende Glaubensbilder gewandt hat. Daher konnten die Niederländer im so genannten Goldenen Zeitalter ihr häusliches Umfeld mit Kunstwerken und damit auch mit biblischen Fliesenbildern ausschmücken. Im Gegensatz dazu sprach aus Sicht der lutherischen Kirche nichts gegen biblische Bilder in den Gotteshäusern. So wurde die 1718 eingeweihte Kirche in Barmstedt mit einer Fülle von gemalten biblischen Szenen ausgestaltet, wobei die Motive sich auf illustrierte Bibeln beziehen lassen. Wurden Fliesen mit biblischen Szenen in Wohnhäusern angebracht, so zeigte man damit auch die eigene christliche Haltung. Besonders zu Beginn des 19. Jahrhundert konnte dahinter die Ablehnung der zunehmenden weltlichen Strömungen stehen. Als im Laufe des Jahrhunderts die Rolle der Kirche immer mehr in Frage gestellt wurde und die Bedeutung der Religion im Leben der Menschen abnahm, ging auch der Verkauf der biblischen Fliesen immer weiter zurück, bis sie gar nicht mehr nachgefragt wurden, wie Theilig anmerkt.

Im 20. Jahrhundert verloren die Fliesenbilder für ihre Besitzer immer mehr an Bedeutung, so dass sie oft gnadenlos zerstört wurden. Wünsche weist in seinem Vorwort auf das Ziel der Ausstellung und der begleitenden Publikation hin: Die heute nur noch selten zu findende Fliesenkultur, die einstmals für Schleswig-Holstein und besonders für die Nordseeküste typisch war, ist inzwischen durch den Abriss alter Wohnhäuser extrem gefährdet. Dabei sind Fliesenstuben und geflieste Wände ein ganz besonderes Kulturgut, das unbedingt vor dem Vergessen und dem endgültigen Verlust bewahrt werden sollte. Dazu leistet diese Publikation einen wichtigen Beitrag, bietet sie doch zum ersten Mal einen breiten Überblick über die biblischen Darstellungen in diesem besonderen Medium und verbindet diese Motive mit ihren zeitgenössischen Vorbildern und der regionalen Geschichte der Stadt Barmstedt.

Barbara Leisner

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