Die jüdische Gemeinde in Elmshorn

1685 – Begründung der jüdischen Gemeinde in Elmshorn

Die Niederlassung von Menschen jüdischen Glaubens war bis ins 19. Jahrhundert streng reglementiert und von landesherrlichen Vorgaben abhängig. Reichsgraf Detlev Rantzau stellte Berend Levi im Jahre 1685 einen Schutzbrief aus, der seine Niederlassung in Elmshorn ermöglichte. Damit war der erste Schritt zur Bildung einer jüdischen Gemeinde gelegt. Im Nationalsozialismus wurde die jüdische Gemeinde Elmshorn ausgelöscht, wer nicht rechtzeitig ins Ausland fliehen konnte, wurde ermordet.

Jüdische Gemeinden in Schleswig-Holstein

Seit dem Mittalter war das jüdische Leben durch viele Beschränkungen gekennzeichnet. Auch nach der Reformation bestanden weiterhin die ehemals päpstlichen Berufsverbote. So durften Juden weder ein Handwerk, noch Landwirtschaft oder Seefahrt betreiben. Trotz dieses rechtlich und sozial beschränkten Status lebten Juden Tür an Tür mit christlichen Nachbarn. Die Zahl der Juden war in Schleswig-Holstein gering, die Volkszählung 1803 erfasste 3.100 Personen. Die meisten lebten in Altona. Daneben gab es in einigen Orten kleinere Gemeinden wie in Elmshorn.

Berend Levi: festgelegt auf einen Wohnsitz in Elmshorn und Handel und Geldgeschäft

Mit seinem »Hochgräflichen Schutz-, Schirm- und Geleitbrief» Graf Detlev dem Berend Levi »nebst seinem Weibe, Kindern und Gesind … gnädig … die Möglichkeit, … in Unserem Flecken Elmshorn zu wohnen, auch daselbst und in anderen Orten unserer Grafschaft Rantzau Handel und Wandel, Kaufen und Verkaufen, Geld ausleihen und dergleichen ehrliche Hantierung zu treiben …«

1726 – eine Gemeinde von Händlern und Hausierern

Grabstein auf dem Jüdischen Friedhof in ElmshornAm Ende der Grafenzeit war die jüdische Gemeinde in Elmshorn auf 24 Haushalte angewachsen. Die fortbestehenden beruflichen Beschränkungen ließen dabei nur wenig Auswahl bei der Art der wirtschaftlichen Betätigung. 1726 gehörten zu den Haushaltsvorständen 13 Hausierer (mobile, über Land ziehende Kleinhändler), 3 Händler, 1 Schlachter (Schächter), 2 Glaser, 1 Rabbiner und 3 Haushalte ohne Angaben. Über ein eigenes Haus verfügte kein Mitglied der jüdischen Gemeinde, alle wohnten zur Miete (»Häuerling«).

Gewährung eines Begräbnisplatzes – bis heute ein jüdischer Friedhof

Beerdigungen auf christlichen Friedhöfen waren Juden nicht erlaubt. In manchen Städten wurde ihnen generell ein Begräbnis auf städtischen Grund versagt. Graf Detlev gestattet Berend Levi für den Fall seines Todes ein Begräbnis auf einer dazu bereits angekauften Fläche in Elmshorn. Dieser Begräbnisplatz lag damals weit außerhalb der bebauten Ortschaft. Dieser jüdische Friedhof besteht an dieser Stelle bis heute, die letzte Beerdigung fand 1939 statt.

Die Kirchen der Grafschaft

Die Nikolaikirche in Elmshorn und die Heiligen-Geist-Kirche in Barmstedt – bauliche Zeugen der Reichsgrafenzeit

Die Bewohner der Grafschaft Rantzau waren in der weit überwiegenden Mehrzahl evangelisch-lutherische Christen. Nach dem lutherischen Kirchenverständnis waren die Reichsgrafen Rantzau ihre obersten Herren. Dieses Recht nahmen sie z.B. durch die Berufung der Pastoren und durch den Vorsitz bei kirchlichen Zusammenkünften wahr. Außerdem sorgten sie für die bauliche Unterhaltung und die Ausstattung der Kirchen in ihrer Grafschaft

St. Nikolai Elmshorn

1657 wurde Elmshorn im sogenannten Zweiten Nordischen Krieg (1657 – 1660) durch schwedische Truppen zerstört. Auch die Nikolaikirche wurde zusammen mit ihrem kostbaren Altar von 1643 vernichtet. Graf Christian Rantzau veranlasste den Wiederaufbau. 1661 wurde die wiederaufgebaute Kirche eingeweiht. Aus dieser Zeit stammen heute noch der Altar mit dem Wappen der Rantzaus und wahrscheinlich auch der Opferstock. In den Jahren danach sorgte Detlev Rantzau für die weitere Ausstattung der Kirche. So wurden sukzessive Kirchenbänke angeschafft, vorher mussten die Kirchenbesucher stehen. 1684 erhielt die Kirche eine Orgel, die von Arp Schnitger und Joachim Reichborn gefertigt wurde. Auch die Emporenbilder mit biblischen Motiven stammen z.T. aus dem 17. Jahrhundert. Das Kirchspiel Elmshorn umfasst auch südlich der Krückau gelegene Orte, die nicht zur Reichsgrafschaft gehörten. Bei einer Neubesetzung von Pfarrstellen verlangten diese ein Mitspracherecht, das Graf Christian Detlev nicht gewähren wollte. Deshalb kam es 1702 zum Elmshorner »Preesterkreeg«. Die ausgegrenzten Kirchspielangehörigen versuchten durch Kirchenbesetzung eine Amtseinführung zu verhindern. Nach der handstreichartigen Einführung eines vom Grafen durchgesetzten Kandidaten wurden dessen Gottesdienste boykottiert.

Heiligen-Geist-Kirche Barmstedt

Die heutige Barmstedter Kirche geht auf Wilhelm Adolph Rantzau zurück. Während der Haftzeit seines Bruders Christian Detlev übernahm er 1715 die Regentschaft in der Grafschaft Rantzau und ließ am Platze der baufälligen romanischen St. Margarethenkirche die Heiligen-Geist-Kirche erbauen. Sie wurde am Pfingsttage 1718 eingeweiht, höchstwahrscheinlich im Beisein des Regenten und seiner Ehefrau, einer geborenen Gräfin Sayn-Wittgenstein. Am Grafenstuhl in der Kirche sind beide gräflichen Wappen zu sehen. Ebenso finden sich diese auf einem kostbaren Altarbehang, der im Museum ausgestellt ist. Zur Regelung des kirchlichen Lebens erließ Wilhelm Adolph eine umfangreiche Kirchenordnung.

Hufner, Handwerker und Händler – die wirtschaftliche Basis der Grafschaftschaft Rantzau

Die Frühzeit der Reichsgrafenzeit – Kriegszerstörungen und Bevölkerungsverluste

Die frühe Zeit der Reichsgrafschaft war durch die umfangreichen Zerstörungen und Belastungen des 30-jährigen Krieges, aber besonders auch durch den bald darauf folgenden Nordischen Krieg (1657 – 1660) geprägt. Die durchziehenden Truppen requirierten Lebensmittel und Viehfutter und setzten Gebäude in Brand. Viele Bewohner flohen oder wurden durch Krankheiten dahingerafft. Die wirtschaftliche Basis der Reichsgrafschaft war dadurch stark beeinträchtigt.

Das „Inventarium“ von 1726

Bis zum Ende der Reichsgrafenzeit erholte sich das Gemeinwesen, unterbrochen allerdings durch einen nochmaligen Nordischen Krieg (1700 – 1716) um die Vorherrschaft im Ostseeraum. Als die Grafschaft unter dänische Herrschaft kam, wurde 1726 ein Inventar angelegt, in dem die Steuerpflichten der Bewohner festgehalten wurden. Dieses Verzeichnis erfasste alle Haushalte mit ihrer wirtschaftlichen Situation. Haus- und Grundeigentümer sind darin ebenso wie die „Häuerlinge“ und „Insten“ – also von zur Miete wohnende Haushalte –, sowie die Altenteiler gesondert registriert.

Zahl der Haushalte im Jahr 1726

Kirchdorf Barmstedt: 156
Kirchdorf Elmshorn: 287
Übrige Dörfer: 537
Gesamt: 980
Raa Besenbek: Hier lagen keine Angaben vor

Da zu einem Haushalt mehr Personen gehörten als heute, kann man von einer Gesamteinwohnerzahl von maximal 6000 Personen ausgehen. Die beiden Kirchdörfer Barmstedt und Elmshorn waren durch sog. Ackerbürger geprägt. Ihre Häuser standen eng zusammen und waren baulich auf Viehhaltung und Landwirtschaft ausgerichtet. Daneben gab es Handwerksbetriebe. In Elmshorn sind von den 287 Haushalten 102 Handwerker und Händler. Sie betrieben oftmals auch nebenher auch noch Landwirtschaft. Die Berufsangaben belegen ein arbeitsteiliges Wirtschaftsleben: Krämer, Kornhändler, Schuster, Schneider, Zimmerer, Grobschmied, Bäcker, Tischler, Ewerführer, Drechsler, Mauerer, Färber, Kleinschmied, Tabakspinner, Barbier, Musikant, Riemer (Sattler), Rademacher (Stellmacher) Ledertauer (?), Weißgerber, Schlachter, Apotheker, Böttcher, Scharfrichter, Fuhrmann, Kuhlengräber (Totengräber). Unter ihnen bilden die Schuster mit 13 Vertretern schon die größte Gruppe. Zu Barmstedt kann man leider momentan noch nicht so genaue Angaben machen.

Kirchenwesen und Armenfürsorge – eine Aufgabe der reichsgräflichen Landesherren

Die Versorgung alter, aber auch kranker Menschen war bis ins 19. Jahrhundert vorrangig die Aufgabe der Familienangehörigen. Wer keine Angehörigen hatte, die ihm helfen konnten, war auf Bettelei oder öffentliche Unterstützung angewiesen. Graf Christian errichtete für diese Menschen 1663 das Präbendenstift in Elmshorn.

Ein Haus für die Armen

Christians Stiftung bestand aus einem Armenhaus – dem Präbendenstift (lat. praebenda = Unterhalt) – und 12.700 Reichstalern Spezies für den laufende Unterhalt. Die Statuten besagten, dass nur solche Menschen aufgenommen werden konnten, die in der Grafschaft Rantzau oder dem Gut Breitenburg entweder geboren oder „verehelicht“ waren. Sie durften nicht „das Ihrige muthwillig verthan oder sonst der Almosen sich unwürdig gemacht“ haben und sie mussten durch Alter, Krankheit oder „andere Göttliche Verhängnisse“ in „beschwerliche Armuth gerathen“ sein. Außerdem mussten sie einen ehrlichen Namen tragen. Das Haus bot Platz für 14 Personen, wobei die armen Leute in Doppelzellen lebten. Ein Platz musste für einen gebrechlichen Hofbedienten offen gehalten werden. Die Bewohner mussten ihr eigenes Bett mitbringen. Nach ihrem Tod ging es auf das Stift über.

Die Verwaltung der Stiftungsgelder

Verwaltet wurde die Stiftung durch ein Gremium, zu dem neben dem Grafen selbst die Elmshorner Prediger, der Kirchspielvogt und die beiden Vorsteher des Stiftes gehörten. Die Dokumente über das Stiftungsvermögen wurden mehrfach gesichert aufbewahrt. Trotzdem wurde das Vermögen offenbar unter den Grafen Christian Detlev und Wilhelm Adolph zweckentfremdet.

Die Glocke – Sinnbild frommer Lebensführung

Selbstverständlich wurde von den Präbenden eine fromme Lebensführung erwartet. Zu den regelmäßigen gemeinsamen Andachten rief eine Glocke, die sich in einem Dachreiter auf dem First des Stiftes befand. Auf ihr prangt das gräfliche Wappen. Gegossen wurde sie 1663 in der Werkstatt des Franziskus Roen in Glückstadt. Das Stiftsgebäude aus der Rantzau-Zeit wurde 1890 abgerissen und eine neue Stiftsanlage mit einer eigenen Kirche geschaffen. Die Glocke blieb erhalten und kam in die historische Sammlung der Stadt Elmshorn.